»Zerschlagen ist die alte Leier am Felsen, welcher Christus heißt«*

~ Von großen und kleinen Steinen und vom Felsen Jesus Christus

 

Auf dem diesjährigen Männertag der Geistlichen Gemeinde-Erneuerung Nord in der Ev. Kirche, einer Veranstaltung, die seit nunmehr acht Jahren jährlich im Monat Februar im südwestlichen Schleswig-Holstein stattfindet, wurde ich durch das Abschlussreferat über die schwankende Identität des Petrus und seine Identitätsfindung durch die zögerliche und stufenweise Annahme seiner Berufung erinnert an eine Auseinandersetzung mit der Rolle des Petrus in der Kirchengeschichte, die mich vor etwa zwei Jahren schon einmal intensiver beschäftigte.

Damals schrieb ich dazu:

Meiner Kenntnis/Erkenntnis nach ist es höchst zweifelhaft, ob Petrus überhaupt jemals in Rom war und eine besondere Stellung unter den ersten Jüngern Jesu einnahm und einnimmt. Zudem wird mit dieser Behauptung bzw. kolportierten Annahme eine Lehre verbreitet, die von Jesus Christus als dem Herrn SEINER Gemeinde, für die ER am Kreuz starb, ablenkt und weder mit dem Wortlaut noch dem Geist des Evangeliums vereinbar ist. Zur weiteren Überprüfung möge man sich exemplarisch mit folgenden acht Texten auseinanderzusetzen:

1) »... hoti sy ei Petros, kai epi tautæ tæ petra oikodoméso mou tæn ekklesían,...«**

2) Die Welt: http://www.welt.de/kultur/article6651588/Streit-um-die-Frage-War-Petrus-niemals-in-Rom.html

3) Die Geburt einer Legende, s.: http://www.visionjournal.de/node/1698

4) DerSpiegel: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-16269155.html

5) GuteNachrichten: http://www.gutenachrichten.org/ARTIKEL/in200108_art2.htm

6) DerTheologe: http://www.theologe.de/petrus-christus-fels-schluesselgewalt.htm

7) Deutschlandfunk: http://www.deutschlandfunk.de/papsttum-die-petrus-tradition-unter-der-historiker-lupe.886.de.html?dram:article_id=301452

8) gotquestions: http://www.gotquestions.org/Deutsch/Heiliger-Petrus-erster-papst.html

Wenn Jesus selbst tatsächlich den Jünger Simon/Schim'on als "petros" bezeichnet hat, wie die überlieferte griechische Version des Matthäus-Evangeliums suggeriert, dann aber höchstens in einem Wortspiel, in dem er auf sich selbst als "petra" = den Felsen verweist, von dem der Stein = "petros" ein Teil ist. Dieses Wortspiel ist aber nur im Griechischen und Lateinischen verständlich -- und wird seltsamerweise gerade in diesen Sprachen am liebsten missverstanden! -- gibt in hebräischer bzw. aramäischer Rückübersetzung jedoch keinen Sinn (Mir liegen zwei Rückübersetzungen des Matthäus-Evangeliums ins Hebräische vor, in denen "petra" mit "sæla'" bzw. "tsur" wiedergegeben ist!).

Ohne weiteren Kontext verleitet der Vers in Matthäus 16,18 für sich genommen zu eben jener Deutung, mit der er auch im Petersdom in Rom zur Anwendung kommt. Nach meinem Glaubensverständnis aber ist die Gemeinde Jesu Christi auf den Felsen gebaut, welcher Jesus Christus selbst ist, nicht aber auf den Jünger Simon Petrus, allerhöchstens auf dessen Glauben, der im N.T. zwar in mehreren Entwicklungsschritten besonders hervorgehoben wird, aber der Person des Simon Petrus keine Sonderstellung einräumt.

Das wird auch deutlich bei einem Vergleich mit Matthäus 16, 13-20 und Matthäus 18, 18-20; dort wird zuerst einem einzelnen exemplarisch verheißen, was später auf die Jünger Jesu insgesamt ausgedehnt wird. Dass es sich um Verheißungen handelt und nicht um die Verleihung von Vollmacht/Vollmachten, wird deutlich, wenn man den griechischen Urtext genauer betrachtet; die Formen "estai dedeména" und "estai lelyména" bezeichnen das, was im Himmel gebunden und gelöst worden i s t ... und verheißen also eine Schau himmlischer Dinge, um hier auf Erden nachvollziehen zu können, was im Himmel zuvor beschlossen ist, mehr nicht! Eine jegliche Theologie, die darüber hinausgeht, ist von Übel. Ich erinnere mich daran, dass vor einigen Jahrzehnten --- und auch heute wohl noch --- Menschen durchs Land zogen und alles zu binden und lösen versuchten, wozu sie sich einer besonderen Berufung zu rühmen vermochten; die Anmaßung hinter einer derartigen Haltung ist mit derjenigen der Papstkirche durchaus vergleichbar, schafft viele Kleinpäpste, besonders in pfingstlich-charismatischen Bewegungen, in denen so manchem Geist Raum gewährt wird. 

Anmerkungen:

* Ein Gedicht mit diesem Titel -- s.: http://www.christliche-gedichte.de/?pg=5110 -- wird dem Dichter Heinrich Heine als Ausdruck später Reue und Bekehrung zugeschrieben; es gibt aber berechtigte Zweifel bezüglich der Autorenschaft, siehe z.B. http://heinrich-heine.plaudern.de/zerschlagen-ist-die-alte-leier-198_all.htm und http://de.etc.sprache.deutsch.narkive.com/IOutbS9D/letzte-worte-von-heinrich-heine-vor-seinem-tod und https://www.der-ruf.info/heinrich-heine-ein-verlorener-sohn/  Den Ausdruck "alte Leier" kann man natürlich mit manchen Spottgedichten Heines bzgl. des organisierten Christentums in Verbindung bringen; nach meinen persönlichen langjährigen Erfahrungen mit frommer Phrasendrescherei hege ich den Herzenswunsch, dass auch alte religiöse Leiern gleichermaßen am Felsen Christus zerschellen mögen.

** siehe: http://bibeltext.com/text/matthew/16-18.htm